Gedanken zur Neuaufstellung der Wunderkammer
P. Daniel Sihorsch sprach im Wintersaal über die Wunderkammer und P. Altman Pötsch begleitete die anschließende Besichtigung.
Die zahlreichen Objekte der Wunderkammer spielen mit der Verknüpfung des ästhetischen Werts der unterschiedlichsten Materialien der Natur mit handwerklicher Kunst. So finden sich hier kostbare Holz- und Elfenbeinschnitzereien des 17. und 18. Jahrhunderts, wertvolle Arbeiten aus Wachs und Stein, kunstvolle Einarbeitungen von Kokosnuss, Straußenei, Koralle und Schildpatt, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Emails, Gemälde, intarsierte Kästchen, Terrakotten, Bestecke und Rosenkränze – ein bunter Kosmos, der in unserer reizgetränkten Welt auch heute zum Staunen und Innehalten einlädt über die Wunder der Natur und des schöpferischen Schaffens des Menschen.
Im Beitragsbild präsentieren Abt Ambros, P. Altman und P. Daniel Beispiele für diese Sammlung, die derzeit neu aufgestellt wird: Holzrelief mit der Darstellung „Anbetung der Hirten“ von J.G. Schwanthaler, eine Konterfettenkugel aus Elfenbein (Nürnberg 1700) und ein venezianisches Flügelglas.
Ein "Universum im Kleinen", so könnte man diese Sammlung zusammenfassen. Sie blickt auf eine lange, sich wandelnde Sammlungs-Geschichte zurück, einer Geschichte die von der Sammeltätigkeit und dem Mäzenatentum der Äbte sowie dem Interesse einzelner Patres getragen, von der Renaissance ins Barock führt und im 18. Jahrhundert mit dem Bau und der Ausstattung der Sternwarte als Universalmuseum einen Höhepunkt erreicht hat. Von dort ging es über andere Aufstellungsorte in den heutigen Raum – und die Kunstkammer wandelte sich mehr und mehr zur Wunderkammer. Die ursprünglich in einem Gebäude präsentierten drei Gruppen der „Naturalia“, „Scientifica“ und „Artefacta“ wurden getrennt; die Objekte der Natur und die wissenschaftlichen Instrumente blieben zum guten Teil in der Sternwarte, die Objekte der Kunst kamen in neues Museum.
Die Wunderkammer zeichnet aus, dass sie vornehmlich Kunstwerke präsentiert, die die „Naturalia“, die „Wunder der Natur“ mit dem „Wunder der künstlerischen Technik“ verbinden. Treffen sich diese beiden Aspekte des Wunderns, so wächst wie von selbst die Faszination der „Kuriosität“. Die „Werke des Wunderns“ tragen also ursprünglich keinen Sinn des Gebrauchs oder der Didaktik in sich. Sie entspringen vielmehr der reinen Freude und Faszination an den Dingen der Natur und der künstlerischen Fertigkeit. Im Wirkungsbereich des Klosters kommt hinzu, die Objekte als Zeugnisse des Glaubens zu verstehen. Der Mensch freut sich an der Schöpfung und wird durch seine Kunstfertigkeit selbst zum Schöpfer. Wo Natur und Kunst eine so enge Symbiose der Freude und des Spiels eingehen entsteht eine neue Welt des Staunens und Wunderns, die eine Tür ins Paradies öffnet.
Die Motive aller Sammlungen, wie die Wertschätzung, der achtsame Umgang und das Bewahren, liegen im Verständnis der Benediktiner begründet, dass „in allem Gott verherrlicht werde“, wie es Benedikt in seiner Regel zitiert (RB 57,9), zudem mögen alle Geräte des Klosters, ja der gesamte Besitz wie heiliges Altargerät betrachtet werden (RB 31,10).
Der Kunsthistoriker und Kurator der Neuaufstellung Andreas Gamerith, der ursprünglich als Referent vorgesehen war, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen. Er schreibt zur Wunderkammer: „Die Geschichte des Glaubens ist zugleich eine Geschichte der Kunst – seit jeher waren Künstler mit der Aufgabe konfrontiert, die Glaubensgeheimnisse in erfahrbare Kunstwerke zu übersetzen. Die Neuaufstellung der „Wunderkammer“ im Stift Kremsmünster versucht, Artefakte der Vergangenheit nicht nur als Objekte von künstlerischem Wert zu präsentieren, sondern ihnen darüberhinaus eine Bedeutung zu geben, die auch für die Spiritualität des 21. Jahrhunderts von Relevanz ist.“
Wir stellen hier seine Rede, die er anlässlich der Eröffnung der Wunderkammer hielt, zur Verfügung.
PDF Eröffnungsrede Wunderkammer von Dr. Gamerit