"Ecclesia semper reformanda"
Am 11. Dezember feierten wir den Stiftertag. Beim Pontifikalrequiem sprach Abt Ambros in seiner Predigt von der Kirche, die sich immer wieder erneuern muss.
Jedes Jahr gedenkt die Klostergemeinschaft am Stiftertag, dem 11. Dezember, des Herzogs Tassilo von Bayern und aller Wohltäter, die sie in der 1247-jährigen Geschichte in vielerlei Weise unterstützt haben. Dieses Fest wird mit besonderen Traditionen begangen: Das Hochaltarbild der Verklärung Christi ist durch ein schwarzes Tuch verhängt, vor den Stufen des Presbyteriums wird eine mächtige Tumba aufgebaut, die an den Sarg Tassilos erinnern soll; schließlich ist der 11. Dezember sein überliefertes Todesdatum. Am Vorabend wird von Chor und Orchester der Stiftskirche die sogenannte Gunthervesper gesungen, eine feierliche Totenvesper, die ihren Namen von P. Gunther Kronecker hat, der sie 1834 für den Stiftertag komponierte.
Das Pontifikalrequiem am Vormittag des 11. Dezember ist ein weiterer lebendiger Ausdruck, dass die Vergangenheit auch die Gegenwart prägt. Deshalb wird bewusst der Tassilokelch verwendet, und die Ministranten tragen die sogenannten Tassiloleuchter, die schon über 1000 Jahre die Geschichte Kremsmünsters begleiten. Das Evangelium wird in lateinischer Sprache aus dem Codex Millenarius vorgetragen, einem Evangeliar aus der Zeit um 800, das wahrscheinlich in der Schreibschule des Klosters Mondsee gefertigt wurde.
Die stimmungsvoll gestaltete Liturgie konnte heuer im bereits renovierten Teil der Stiftskirche gefeiert werden, an der Freunde und Gäste sowie Schülerinnen und Schüler des Stiftsgymnasiums teilnahmen. Die Liturgie wurde von Chor und Orchester der Stiftskirche musikalisch besonders festlich gestaltet. Beim Ponifikalrequiem war das Requiem in d-Moll von Anton Bruckner zu hören. In der Predigt sprach Abt Ambros von der Kirche, die sich immer wieder erneuern muss.
"Ecclesia semper reformanda", die Kirche muss sich immer wieder erneuern
Diese Botschaft ist zeitlos gültig und trifft die Kirche in ihrer ganzen Vielfalt – angefangen vom Bauwerk Kirche bis hin zu den kirchlichen Strukturen, zur Gemeinschaft der Kirche als lebendige Steine und letztlich zu jedem einzelnen Christen.
So wird auch unsere Stiftskirche erneuert und renoviert. Nach einigen Jahrzehnten ist es wieder notwendig geworden und wir freuen uns über den lichten und hellen Kirchenraum, über die Sanierungen der Bilder und Statuen und des großen und schönen Gitters im Altarraum. Gleichzeitig wissen wir, dass vieles noch zu tun ist. Die Gestaltung für den Altarraum ist noch ausständig und die Altarmensen bei den Seitenaltären sind noch provisorisch. In weiterer Folge werden das südliche Seitenschiff und die Marienkapelle restauriert. Allen Verantwortlichen, Restauratorinnen und Restauratoren sowie Helferinnen und Helfern ein großes Danke und Vergelt`s Gott für die gewissenhafte und wertvolle Arbeit.
"Ecclesia semper reformanda", die Kirche muss sich immer wieder erneuern. Es ist eine Lebensaufgabe für die Kirche im Kleinen und im Großen und für den einzelnen Christen. Der Heilige Benedikt gibt uns als Mönche ein Rezept in die Hand. Er schreibt im Prolog seiner Regel (21): „Gürten wir uns also mit Glauben und Treue im Guten, und gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat.“
Erneuerung unter der Führung des Evangeliums, „per ducatum evangelii“, wie es auch mein Wahlspruch ausdrückt. Nichts anderes kann unser Wegweiser sein als Jesus Christus und sein Evangelium. Das ist unsere Richtschnur, die der Heilige Benedikt in den 73 Kapiteln seiner Regel für den Alltag des Lebens der Mönche entfaltet. Wenn wir uns daran halten, dann sind wir auf dem Weg der Erneuerung unseres monastischen Lebens unterwegs.
Papst Franziskus legte seinen Akzent auf die Gesamtkirche und ebenso auf die innere Entwicklung der Kirche. Unverzichtbar ist für ihn daher die Erneuerung: "Ecclesia semper reformanda", die Kirche, die immer neu zu reformieren ist. Das spricht der Papst so oft in seinen Predigten an. Die Besinnung auf das Wesentliche, auf die Botschaft Jesu, die sich immer neu auf Christus hin orientieren muss. Das ist der Weg zur inneren Reform der Kirche.
Statt einem "starren Hängen an Normen und Gesetzen" verlangt der Papst Wachsamkeit und das Hören auf das, was er die "wirksame Gegenwart des Herrn" nennt. So braucht es das beständige Suchen und Hinhören auf Jesus Christus und unserer konsequenten Nachfolge.
Erneuerung bedeutet immer auch Veränderung. "Ecclesia semper reformanda est" darf aber keinesfalls so verstanden werden, dass die Kirche sich von ihren Wurzeln, ihrem Fundament wegbewegt. Genau das Gegenteil ist gemeint. Dieser Satz ist die Aufforderung zur beständigen Selbstüberprüfung, ob die Kirche eigentlich noch auf dem richtigen Weg und immer noch mit ihrem Ursprung verbunden ist. Dieses Fundament der Kirche ist Gott und sein Wort.
So geht es um die Reform des Herzens – „ecclesia semper reformanda“ – sich in Christus erneuern lassen in unserem Denken und Handeln und ihm gleichförmig werden. Daraus ergibt sich die Verlebendigung der Kirche in den Grundvollzügen der Verkündigung und Seelsorge, der Liturgie und Caritas und der sozialen Dienste. Der Geist Gottes ist es, der Leben bringt, die Lebenserneuerung in Christus. Dementsprechend können wir sagen: Reform der Kirche nicht durch uns, sondern in uns.
„Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ ist der ständige Ruf Jesu zur Erneuerung. Und ebenso: „Kommt, folgt mir nach!“ Es braucht viele und vielfältige Schritte zur Erneuerung unserer Kirche – „ecclesia semper reformanda est.
Abt Ambros Ebhart
Video von Dr. Rodemund beim Pontifikalrequiem am Stiftertag